Verlängerung für „Marie-Luises Lieblinge“

Das Deutsche Fächermuseum in Bielefeld hat die Corona-Zwangspause für Reparaturen und Zukäufe genutzt.

Von Sabine Schulze
(Westfalen-Blatt Nr. 58, Mittwoch, 10. März 2021)

BIELEFELD (WB). Nur sieben Wochen konnten „Marie-Luises Lieblinge“ im deutschen Fächermuseum der Barisch-Stiftung gezeigt werden. Dann kam der Lockdown. Weil Günter Barisch die Ausstellung besonders am Herzen liegt, da sie zum einen seiner vor zwei Jahren verstorbenen Frau gewidmet ist und er sie zudem so besonders gelungen findet, wird sie bis zum Jahresende verlängert. „Wir haben viele Anfragen von Menschen, die sie sehen möchten“, freut sich der 92-jährige. 

Die Corona-bedingte Zwangspause für die Museen haben Günter Barisch und seine langjährige Mitarbeiterin Maria Plet genutzt: für die Restaurierung einiger alten Schätze und auch für Zukäufe. Dazu gehörten französischer Fächer aus dem Jahr 1870, gefertigt von der Fächermanufaktur Alexandre. Das Gestell aus vergoldetem Perlmutter sei eine wahre Meisterleistung, schwärmt Günter Barisch. Die feine Schnitzerei des so zerbrechlichen Perlmutters ist sogar noch hinterlegt muthauchdünnen Muschelstücken, die zartblau oder -grün durchschimmern. Und begeistertest er über einen Fächer, mit dem sich einst Kaiserin Eugénie, die Gattin von Napoleon III., Luft zugefächelt hat. Sogar zwei passende Kästen gibt es dazu. 

Hinzugekauft hat Günter Barisch aber nicht nur Fächer: Er hat auch sein „Ersatzteillager“ aufgefüllt - eigentlich zu seinem eigenen Bedauern. Denn die Fächerbügel oder fein geschnitzten einzelnen Stäbe aus Elfenbein, die er für das Deutsche Fächermuseum in Bielefeld erstanden hat, kommen von einer Fächerfreundin in Paris: Anne Hoguet hat dort die Familientradition fortgeführt und eine Fächermanufaktur betrieben, die sie 1993 zum 100-jährigen Bestehen der Werkstatt um ein Museum erweitert hat. Der durch die Corona-Pandemie erzwungene Lockdown hat sie finanziell stark getroffen, ihr Museum steht vor dem Aus. „Bevor aber ihre Werkstatt mit all´ den alten Ersatzteilen, die man ja heute überhaupt nicht mehr bekommt, verramscht wird, habe ich ihr einiges abgekauft.“

Immerhin kann er jetzt auf einen noch größeren Fundus von Ersatzteilen zurückgreifen, wenn kleine Reparaturen anfallen, wenn ein Fächerbügel fehlt oder ein filigraner Stab ersetzt werden muss. Diese Arbeiten werden im Allerheiligsten, in der Werkstatt erledigt.

Maria Plet in der Werkstatt, die sich im Keller des Fächermuseums befindet. Hier wird aufwändig restauriert oder es werden kleine Reparaturen vorgenommen. 

Froh ist er darüber, dass auch Maria Plet ein ruhiges Händchen und das nötige Geschick hat. Allerdings, sind sich beide einig, gibt es Grenzen. „Fächer-blättert aus Seide etwa kann man nicht reparieren, wenn sie zerschlissen sind.; das wird man immer sehen.“ Und ein Loch oder Riss in Klöppelspitze – denn auch daraus bestehen Fächer – ist auch eine Herausforderung oder ein wirklich teures Vergnügen. So mancher Fächer ist auch schon reparaturbedürftig, wenn Günter Barisch ihn ersteht. „Fächer waren die Degen der Dame. Einem aufdringlichen Verehrer konnte damit eins gewischt werden – und dabei konnte ein Fächer schon einmal kaputtgehen.“ Nun, auch das gehört zu den Geschichten um Fächer. Ohnehin: Die Geschichten „dahinter“ sind Günter Barisch die allerliebsten. In der Vitrine mit den „Lieblingen“ seiner verstorbenen Frau etwa, sind auffällig viele Fächer mit Tiermotiven: „Sissis Mutter Ludovica von Bayern liebte Hunde, die Kaiserin hat diese Fächer deswegen für sie in Wien malen lassen.“

Und ein wahres Ereignis erzählt der „Giraffen-Fächer“, 1825 in Frankreich gefertigt. Kurz zuvor hatte der ägyptische König Ali Pascha dem französischen König eine Giraffe geschenkt. „Mit dem Schiff wurde das Tier von Kairo nach Marseille gebracht und von dort über Land nach Paris geführt“, erzählt Günter Barisch.

Bügel, Dornzie, ganze und halbe Stäbe aus Elfenbein oder Perlmutt gehören zu den Ersatzteilen.

Der Fächer mit Giraffe, um 1825 in Frankreich entstanden, erzählt eine wahre Geschichte nach: Der ägyptische König Ali Pascha hatte das Tier dem französischen König geschenkt.

Dort angekommen, säumten 60.000 Pariserin Straßen, um zu erleben, wie das Tier in die Menagerie des Jardin des Plantes gebracht wurde. „Das löste eine wahre Giraffenmode aus.“

Für den Opern- und Operettenfreund Barisch ist die Vitrine mit dem Titel „Wir machen Musik“ die Schönste: Dort finden sich Fächer, die Mozart am Flügel oder Chopin am Klavier, umringt von Desmoiselles zeigen, es gibt eine Ballszene und Fächer mit Noten. Aber eben nicht nur das: Dazu arrangiert ist die entzückende Meißener Affenkapelle, sind Operngläser, Handschuhe, Sträußchen-Halter oder fächerförmige „Carnet de Bals“ aus Elfenbein, auf denen Damen notierten, welchem Herrn sie welchen Tanz versprochen hatten. „Das Beiwerk hilft, die Zeit zu verstehen“, sagt Günter Barisch.

Auch das Deutsche Fächermuseum, am Bach öffnet am 17. März wieder seine Türen: mittwochs und donnerstags von 14:30 bis 17:30 Uhr. 

Fächer unter dem Motto “Wir machen Musik”

DAS MUSEUM

Fächer aus fünf Jahrhunderten zeigt das Deutsche Fächermuseum, das im vergangenen November 25 Jahre alt wurde. Gegründet wurde es von dem Sammlerehepaar Marie-Luise und Günter Barisch, das mit Enthusiasmus und Expertise Fächer aus aller Welt zusammengetragen hat. Nur in London und (noch) in Paris gibt es zwei weitere Fächermuseen. Getragen wird das Bielefelder Museum von der Barisch-Stiftung. 


„Bitte nicht rumwedeln”

In der Sommerhitze sind Handfächer gerade sehr beliebt, werden aber oft falsch gehalten. Der Historiker David Ranftl erklärt die Kunst des richtigen Windmachens und rät auch Männern: Kühlt euch mit Stil!

Interview von Violetta Simon
(Süddeutsche Zeitung Nr. 181, Freitag, 7. August 2020)

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Ein Fächer kann mehr als nur Wind machen. Karl Lagerfeld schützte sich damit vor dem Mundgeruch der anderen, Kaiserin Sissi versteckte ihre schlechten Zähne. Und ganz allgemein lässt sich die eigene Anmut perfekt in Szene setzen. 

Fotos: IMAGO, MAURITIUS,DPA, GEMEINFREI

David Ranftl, 34, hat seine Magisterarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München über die Fächerkultur am Münchner Hof zwischen 1850 und 1914 geschrieben. Seine private Sammlung umfasst mehr als 300 Exemplare. Foto: Privat

David Ranftl, 34, hat seine Magisterarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München über die Fächerkultur am Münchner Hof zwischen 1850 und 1914 geschrieben. Seine private Sammlung umfasst mehr als 300 Exemplare. 

Foto: Privat

Wenn einem in flirrender Hitze unter der Maske fast die Luft wegbleibt, sind Fächer oft die letzte Rettung. Die faltbaren Leichtgewichte passen in jede Tasche und helfen innerhalb von Sekunden, die Hitze zu vertreiben. Eigentlich unverständlich, warum Männer so selten darauf zurückgreifen. Ganz anders als David J. Ranftl: Der Kunsthistoriker sammelt seit seiner Kindheit Fächer aus dem 17. bis frühen 20. Jahrhundert. Heute arbeitet der 34-Jährige im Kunsthandel, berät Sammler und ist als Kurator unter anderem für das Deutsche Fächermuseum in Bielefeld tätig. 

SZ: Mit dem Fächer kann man sich Luft zuwedeln. Und außerdem?
David Ranftl: Man kann sich damit hervorragend schützen, etwa vor dem Mundgeruch seiner Mitmenschen, wie es Karl Lagerfeld getan hat, oder vor zudringlichen Blicken: Kaiserin Elisabeth von Österreich verbarg im fortgeschrittenen Alter ihr Gesicht und ihre schlechten Zähne hinter dem Fächer. In stickigen, von unzähligen Kerzen erleuchteten Ballsälen und Opernhäusern sorgte der Fächer nicht nur für Abkühlung und bewahrte die Damen in ihren eng geschnürten Korsetts vor der nächsten Ohnmacht. Er war auch unverzichtbares Modeaccessoire und Statussymbol: Je nach Qualität und Ausführung konnte so ein Fächer noch um die Jahrhundertwende dem heutigen Gegenwert eines Kleinwagens entsprechen.

 

„Diese Ventilatoren, die man mit dem USB-Stick auflädt, sind ein No-Go,
vollkommen stillos“


 

Gehen wir in die Gegenwart. Was braucht ein guter Fächer heutzutage?
Er sollte aus möglichst leichtem Material bestehen., etwa aus Bambus oder leichtem Holz, mit einem Blatt aus Stoff oder Papier. Er muss eine angenehme Größe haben, damit er in die Tasche passt, und zugleich stabil ist. Ausserdem sollte er sich mit einem Ratsch öffnen und schließen lassen, in Spanien gilt das als zentrales Qualitätskriterium, weil die Flamencotänzer ihren Gesten damit sehr impulsiv zusätzlichen Ausdruck verleihen. Entsprechend hoch ist der Verschleiß. So gesehen ist der Flamenco quasi der ultimative Belastungstest. 

Und was macht mehr Wind: gefalteteFächer oder diese runden, wie man sie aus Japan kennt?
Sie sprechen von sogenannten Stielfächern oder Handschirmen – die Funktionieren im Grunde gleich gut. Den Unterschied macht eher die Technik. Da kann man einiges falsch machen.  Wenn die Damen von damals sehen könnten, was viele heute damit anstellen, würden sie sich wohl fremdschämen: Der Fächer wird oft recht grobschlächtig gehalten und außerdem hochkant statt wagerecht.

Klingt ja beschämend. Wie sollte man denn korrekt fächern?
Der Fächer wird in die rechte Hand genommen, der Daumen umfasst den Fächerkopfmit dem Dorn, an dem die Streben zusammenkommen. Dann wird der Fächer in einem 180-Grad-Winkel geöffnet und so gehalten, dass er eine parallele Linie zu einer gedachten Tischplatte bildet. Darüber hinaus zeigt das Blatt stets zum Betrachter hin, sodass dieser das Motiv sehen kann. Und dann bitte nicht wild herumwedeln, sondern mit einer Gewissen Anmut.

Ganz schön kompliziert. Zumal man dafür Rechtshänder sein muss, richtig?
Es stimmt, der klassische Fächer öffnet sich immer nur in eine Richtung.  Zum Glück bieten mittlerweile einige Händler Modelle für Linkshänder, das war wirklich eine Marktlücke. Schon deshalb, weil es dem Fächer auf Dauer nicht guttut, wenn man ihn falsch herum öffnet. 

Warum lassen Männer selbst bei brütender Hitze die Finger vom Fächer. 
Vermutlich aus Angst, damenhaft zu wirken – eine Frage der kulturellen Wurzeln. In Asien hat man in dieser Hinsicht nie einen großen Unterschied zwischen den Geschlechter gemacht. Da sind Fächer in der Kultur auch viel präsenter, weil sie noch andere Funktionen erfüllen. Zum Beispiel werden bei der Teezeremonie kleine Kuchen damit gereicht, in der chinesischen Oper dient der Fächer quasi als verlängerter Arm, um Gesten zu unterstreichen. In Europa hingegen wurde der Fächer bereistem 18. Jahrhundert vor allem als modisches Accessoire und Hilfsmittel der Koketterie genutzt. Die meistenHerren nehmen deshalb lieberen Theaterprogramm oder eine Speisekarte zur Hand, um sich Luft zuzufächeln. Bis auf Spanien – dort gibt es sogar spezielle Fächer für den Herrn, sie sind etwas schlichter, mit schwarzem Blatt, und von schmaler Form.

Ein wenig aus der Zeit gefallen sind Fächer aber schon, der technikaffine Mensch des 21. Jahrhunderts nutzt doch eher alternativen wie Miniventilatoren. 
Diese Dinger, die man mit einem USB-Stick auflädt, sind ein No-Go! Mag sein, dass die kleinen Geräte zeitgemäßer oder sogar effektiver sind – aber sie sind vollkommen stillos. Bei diesen sommerlichen Temperaturen habe ich auf Festspielen oder Bällen immer einen schwarzen Fächer, passend zum Smoking, im Hemdsärmel stecken.

Haben Sie ein Lieblingsstück?
Ja, er stammt aus einer Serie mit Szenen aus verschiedenen Wagner-Opern, die einst für König Ludwig II. von Bayern persönlich angefertigt wurden. Die Sammlung ging an die spanische Infantin Maria de la Paz, die schenkte sie ihrer Obersthofmeisterin. Danach verliert sich ihre Spur, bis auf zwei Exemplare: Eines ist im New Yorker Designmuseum Cooper Hewitt zu sehen. Das andere habe ich. 

Nicht nur für antike Stücke, auch für modische Fächer kann man durchaus eine Menge Geld ausgeben …
Absolut. Haute-Couture-Labels lassen sich ihre Modelle von ausgebildeten Spezialisten eigens für ihre Kollektionen anfertigen. Die Produkte aus der Pariser Fächer-Manufaktur Duvelleroy etwa werden mitunter für mehrere Tausend Euro an wohlhabende Kunden bis nach Asien und in die Emirate verkauft. Und die Einzelstücke des Franzosen Sylvain Le Guen, durchweg handgefertigte Exemplare auf dem handwerklichen Niveau des vorherigen Jahrhunderts – von Hand bestickt, mit Pailletten oder Federn besetzt, gefaltet wie Origami-, sind allesamt kleine Kunstwerke. Aber wenn sich jemand, dem Mode und Ästhetik wichtig ist, eine Hermès-Tasche leistet, warum nicht auch einen Fächer?

Immerhin kann, wer sich so etwas leistet, wunderbar damit flirten: Angeblich gibt es sogar eine eigene Fächersprache mit Flirtcodes.
Fächer wurden im 18. Jahrhundert als Instrument der Koketterie genutzt, die Damen verbargen also ihr Gesicht und blinzelten dahinter hervor. Das Spiel mit dem Fächer hielt sich bis ins frühe 20. Jahrhundert. In gewissen Kreisen entwickelte sich daraus eine Art Geheimsprache unter den jungen Leuten – die die Elterngeneration ausschloss. Fächerhersteller veröffentlichten daraufhin Flugblätter, die bestimmte Gesten und deren vermeintliche Bedeutung erklären sollte. Zum Beispiel bedeutet ein geschlossener Fächer, an die linke Wange gehalten, angeblich „Ich liebe dich“. Ich bezweifle jedoch, dass eine geheime Fächersprache Sinn hätte, wenn sie jeder deuten könnte. Abgesehen davon wurden wurden Fächers zum Schluss als Flirtmittel eingesetzt, um Aufsicht aufmerksam zu machen: indem die Dame ihn zum Beispiel fallen ließ, damit der Herr ihn aufhob. 

Lässt die ganze Symbolik und Gestik nicht etwas viel Raum für Missverständnisse?
Durchaus möglich, dass diese Codes zur ein oder anderen Peinlichkeit führten, etwa wenn die Beteiligten aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammten. Die Botschaft einer Dame, die einen geschlossenen Fächer auf die Lippen legt, dürfte indes stets klar sein.

Schweig still!
Na ja – eigentlich „Küss mich“. Ist vielleicht doch nicht so eindeutig. 

Souvenirs im Halbrund

Ausstellung ab heute im Deutschen Fächermuseum Barisch zu Bielefeld

Von Thomas Güntter
(Neue Westfälische Nr. 157, Mittwoch, 10.Juli 2013)

Kunstvoll: Der Fächer aus Frankreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Kathedrale Notre Dame in Paris. Günter Barisch und seine Frau Marie-Luise zeigen in ihrem Museum Fächer als “Souvenirs im Halbrund”.

1890: Brüsseler Stadtansichten

Bielefeld. Der gebildete und nicht ganz mittellose Mensch des 18. und 19. Jahrhunderts sprach vornehmlich französisch und ging auf die „Grand Tour“. Die Bildungsreise führte meist nach Italien oder Griechenland. Die aktuelle Ausstellung „Souvenirs im Halbrund“, die ab heute im deutschen Fächermuseum Barisch, zu sehen ist, lädt Besucher auf einen Streifzug durch die europäische Andenkenkultur ein – von der „Grand Tour“ bis zur Weltausstellung von 1900. 

Zu den frühesten Objekten der Schau zählen filigrane Hochzeitsfächer aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – meisterhafte Kreationen des französischen Rokoko. Allegorien der Liebe und kleine eingebaute Portraits des neuvermählten Paares zieren die Blätter. 

Das Ehepaar Marie-Luise und Günter Barisch hat 1980 mit dem Sammeln von Fächern angefangen. 1994 gründeten sie ihre gemeinnützige Stiftung, die das Fächermuseum unterhält. 

Die Tradition, Fächer als Erinnerungsstücke an die Braut zu verschenken, war auch im 19. Jahrhundert weit verbreitet, wie zahlreiche Beispiele aus der Ausstellung belegen. Kostbare Brüsseler Spitzen mit Allianzwappen und feine Blätter mit Malereien namhafter Künstler wurden auf dazu passende entsprechend kostbare Gestelle montiert, wobei die lustvoll gestalteten Monogramme auf die einstige Besitzerinnen verwiesen. 

Die „Grand Tour“, die obligatorische Bildungsreise vom 17. bis 19. Jahrhundert führte unter anderem auch Johann Wolfgang von Goethe nach Italien, vorwiegend an die antiken Stätten und nach Griechenland. Als Andenken brachte man nur die Fächerblätter mit. Einheimische Fächermacher montierten diese auf entsprechende Gestelle. 

„Zu den beliebtesten Motiven zählen neben dem Kolosseum in Rom auch das Pantheon, das Forum Romanum und der Petersdom wie auch die römische Engelsburg“, sagt Günter Barisch. 

Aus der Biedermeierzeit, die Zeitspanne vom Wiener Kongress 1815 bis zur Revolution von 1848, sind in der Ausstellung mehrere zierliche und filigran durchbrochene Fächer aus Horn oder Eselshaut vertreten. Einige Stücke legen zudem Zeugnis ab vom damals aktuellen Tagesgeschehen, wie etwa die Abbildung der ersten Giraffe in Paris im Jahr 1827, die die Menschen in größtes Erstaunen versetze. 

Im heute als das „Fächerland“ schlechthin bezeichneten Spanien hatte der Tourist die Qual der Wahl: Neben Szenen des gleichsam befremdlichen wie faszinierenden Stierkampfes zeigen die Fächerblätter Kopien historischer Gemälde spanischer Maler. Vertreten sind in der Ausstellung auch die im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Autographenfächer mit den Signaturen historischer Persönlichkeiten wie beispielsweise dem deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck. 


INFO
Bis Weihnachten 2014 geöffnet
° Die Ausstellung „Souvenirs im Halbrund“ beginnt heute im Fächermuseum Barisch, am Bach 19, und ist zu sehen bis Weihnachten des nächsten Jahres. 
° Öffnungszeiten mittwochs und donnerstags von 14.30 bis 17.30 Uhr. Gruppen nach telefonischer Vereinbarung unter Te. (0521) 6 41 86
° Als Sonderausstellung: »Frauenträume – Das Beiwerk der Mode um 1900«.

Galante Szenen auf Luxus-Accessoires


Fächermuseum verleiht Exponate in alle Welt

Von Uta Jostwerner
(Westfalen-Blatt, Nr. 252, Mittwoch, 28. Oktober 2020)

Bielefeld (WB). Im kommenden Jahr jährt sich der 300. Todestag des französischen Rokoko-Malers Jean-Antoine Watteau (1684 - 1721). Aus diesem Anlass

präsentiert die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg im Neuen Palais in Potsdam eine große Schau mit Watteau-Gemälden aus aller Welt. Zu sehen sein werden dann auch vier Fächer, die das Deutsche Fächermuseum in Bielefeld zu der Ausstellung beisteuert.

Das 1996 im Herzen der Altstadt eröffnete Fächermuseum ist eines von weltweit zwei Museen, das sich ganz dem Luxusartikel der Fürsten, Könige und Kaiser verschrieben hat. Das Ehepaar Marie-Luise und Günter Barisch sammelte über Jahrzehnte kostbare Fächer aus vier Jahrhunderten. Die Besucher kommen aus aller Welt nach Bielefeld.

Und nicht nur das: Museen aus aller Welt leihen aus der Sammlung Barisch immer wieder Fächer aus. Die kostspieligen Exponate sind gegen Diebstahl und Transportschäden hoch versichert und gut bewacht. Bisweilen kommt es zu filmreifen Szenen. „Vor einigen Jahren haben wir sieben Fächer nach Paris ausgeliehen. Sie wurden von drei Männern abgeholt, von denen zwei eine Pistole trugen", erzählt Günter Barisch.

Auch die vier Fächer mit Motiven von Watteau werden von Fachkräften persönlich nach Potsdam eskortiert. „Eigentlich sollten die Fächer schon im März abgeholt werden. Aber der Termin wurde wegen Corona verschoben“, sagt Barisch, in dessen umfangreicher Sammlung sich rund 20 Watteau-Fächer befinden. 

Jean Antoine Watteau begründete zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit seinen Schäferszenen, galanten Festen, ländlichen Vergnügungen und Schauspielerdarstellungen eine neue Gattung der Malerei. Mit großer Sicherheit und Lebendigkeit der Zeichnung verband er eine geistreiche und leichte, wenn auch bisweilen flüchtige Pinselführung und ein fein ausgebildetes Naturgefühl, das sich besonders in den landschaftlichen Hintergründen seiner Gemälde zeigt.

Eines seiner sich wiederholenden Motive ist die Einschiffung nach Kythera, eine Szene die von berühmten Fächerherstellern wie Alexandre kopiert wurde. Ein Faltfächer aus dem Hause Alexandre entstand um 1860/70 und befindet sich im Besitz des Fächermuseums. „Das Motiv wurde mit Gouache und Gold auf Schwanenhaut gemalt“, weiß Maria Plet, die das Fächermuseum im Sinne des Ehepaares Barisch in die Zukunft führt.

Ein weiterer Fächer, der im kommenden Jahr in Potsdam zu sehen sein wird, wurde um 1720 in Frankreich gefertigt und zeigt Musikanten bei Hofe, eine typisch galante Szene nach Watteau.

Auch eine Schäferszene von Watteau, entstanden um 1750 in den Niederlanden, ziert einen Faltfächer der Sammlung Barisch. Die Stäbe sind aus Elfenbein gesägt, geschnitzt und graviert, die Gouachemalerei ist mit einer transparenten Firnis und Perlmuttapplikationen versehen.

„Watteau selbst hat keine Fächer bemalt. Aber seine beliebten Motive wurden von berühmten Fächermalern kopiert“, weiß Günter Barisch. So versah zum Beispiel die Pariser Genremalerin Louise Gatzert, die unter anderem für das Fächerhaus Alexandre arbeitete, einen Faltfächer mit dem Einschiffungsmotiv. Perlmutt, Gold- und Silberauflagen machen den Fächer aus dem Jahr 1885 zu einem echten Luxus-Accessoire.

Günter Barisch und Maria Plet verleihen vier Watteau-Fächer aus der Sammlung Barisch ans neue Palais Potsdam. Foto: Jostwerner

Kostbar: Marie-Luise Barisch mit einem spanischen Fächer aus dem Jahr 1882, ihr Mann Günter mit einem französischen Modell von 1760.

Ein Fächer für Sissi

Fächerkabinett Barisch öffnet wieder nach längerer Pause am Mittwoch, 4. Februar

Von Tomas Güntter und Wolfgang Rudolf (Fotos)
(Neue Westfälische Bielefeld, Nr. 19, Freitag, 23. Januar 2004)

Bielefeld. Das Fächerkabinett Barisch, das wegen der Bauarbeiten an der Welle eine längere Pause einlegen musste, öffnet wieder: Ab Mittwoch, 4.Februar, um 14:30 Uhr in den Räumen am Bach 19.

Marie-Luise und Günter Barisch wissen genau Bescheid. Die Besucher können noch so gelangweilt durch die Ausstellung trotten, bei einem Exponat sind alle hellwach. Es ist ein Fächer aus dem Jahr 1878, den der bayerische König Ludwig II. (1845 bis 1886) – der Märchenkönig und Erbauer von Neuschwanstein – seiner Cousine Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837 bis 1898) schenkte. Die Kaiserin hörte auf den Namen Sissi, verfilmt mit der jungen Romy Schneider.

Ballonfächer: Erinnerung an die ersten Heißluftballons der Brüder Montgolfier, aus Frankreich von 1783

„Es ist die Ausstellung zum Buch“, sagt Marie-Luise Barisch, „einen richtigen Titel gibt es nicht.“ Das Kunstbuch, erschienen im renommierten Münchner Firmer-Verlag stellt auf 264 Seiten mit 270 Abbildungen und kenntnisreichen Textbeiträgen, die ganze Vielfalt der Fächer dar. Kunsthandwerklich und historisch. Wie berichtet, hat das Ehepaar Barisch das Werk Anfang November vorgestellt. Öffentliche Mittel, darauf legen sie Wert, haben sie noch nie in Anspruch genommen, nur für das Buch hat die Sparkassenstiftung einen Zuschuss gegeben.

Die Fotografien hat Frank Springer angefertigt. Das Atelier liegt im Haus nebenan. Rund drei Monate hat Springer fotografiert. Insgesamt zogen sich die Arbeiten für das Buch rund eineinhalb Jahre hin. „Das Buch ist ein Querschnitt unserer besten Stücke“, sagt Günter Barisch. Runde 80 Prozent der Exponate sind noch nie gezeigt worden. Aus rund 160 Fächern besteht die Schau. 

Die große Zeit des Fächers war das Rokoko  von 1740 bis zur französischen Revolution 1789. Die aristokratische Dame fächelte sich mit den kostbaren Accessoires, verziert mit Bildern aus dem höfischen Leben, Luft zu oder nahm den Fächer gern als Geschenk an. Die Spannweite der Sammlung ist groß. Man sieht biblische oder mythologische Anekdoten.Oder Fächer, die an historische Ereignisse, wie etwa die Weltausstellung 1867 in Paris erinnern. Auch Ballonfächer, die diese frühe Art der Luftfahrt feiern.

Viele Fächer nehmen Bezug auf Familienereignisse in den besseren Kreisen. Zum Beispiel der Fächer zur Goldenen Hochzeit des deutschen Kaisers Wilhelm I. (1797 bis 1888) mit seiner Frau Augusta (1811 bis 1890). Die Vorderseite zeigt das Palais Unter den Linden in Berlin. Außerdem den Hochzeitsfächer der Großherzogin Luise von Baden, die die Fächerfabrikation in ihrem Land als Wohlstand schaffende Luxusindustrie heimisch machen wollte –vergeblich. Dennoch war diese Luise eine sehr fortschrittliche Frau. Sie gründete das erste deutsche Mädchengymnasium und führte in den Universitäten von Freiburg und Heidelberg das Frauenstudium ein. Seit 1980 sammeln die Barisch Fächer. Am 1. Dezember diesen Jahres wird die Barisch-Stiftung zehn Jahre alt. Das Kabinett hat einen guten Namen, schließlich gibt es nur drei Standorte für Fächermuseen in Europa: Paris, London und – Bielefeld. Kurz nach Weihnachten kam der Brief von Julia Plotnikowa, Kuratorin der Eremitagen St. Petersburg, eines der berühmtesten Museen der Welt. Hier steht das Bernsteinzimmer. Die Kuratorin hatte das Fächerbuch der Barischs gesehen, lobte es und wollte Details wissen. 

Am Montag, 1. März, eröffnet das Ehepaar zusätzlich eine kleine Sonderausstellung zum Thema Fächer und Champagner. Die Schau steht in Zusammenhang mit der Reihe „Mahlzeit“ von 40 ostwestfälischen Museen. Motto: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, es darf auch mal Champagner sein.“ Zur Luxus-Brause den Edel-Wedel.

Briséfächer: Der feuervergoldete Silberfiligran von 1830 kommt aus dem südchinesischen Kanton